- Haudel: Theologie und Naturwissenschaft - 28. Januar 2022
- Erfahrung und ganzheitliche Wirklichkeitserkenntnis - 12. Oktober 2021

Vandenhoeck & Ruprecht / utb
2021
486
Endlich liegt eine umfassende Darlegung des Verhältnisses von Theologie und Naturwissenschaft vor. Matthias Haudel erörtert die geschichtlichen Entwicklungen, die aktuelle Situation und die zukünftigen Herausforderungen. Zudem entfaltet er das theologische Schöpfungsverständnis vor dem Hintergrund der aktuellen Naturwissenschaften – und zwar sowohl hinsichtlich des Kosmos als auch im Blick auf den Menschen (u.a. Evolution, Neurowissenschaften).
Verständlich beleuchtet Haudel die theologischen, philosophischen und naturwissenschaftlichen Grundlagen und ihre Zusammenhänge sowie die ethischen Herausforderungen. Ferner präsentiert er bedeutende Dialogkonzeptionen und einseitige reduktionistische Entwürfe. So tritt die Überwindung gegenseitiger Vorurteile und die Bedeutung des Dialogs für das Wirklichkeitsverständnis hervor. Das betrifft die Relevanz des Glaubens für die gesamte Wirklichkeit ebenso wie die ganzheitliche Einbindung und Sinndeutung naturwissenschaftlicher Einsichten. Entsprechend erschließen sich Antworten auf die existenzielle Suche nach sinnvoller Ganzheit aller lebensweltlichen Zusammenhänge.
Zur Verlagsseite des vorgestellten Buches.
Ergänzend ist auch Haudels „Gotteslehre“ zu empfehlen.
2021 publizierte Prof. Dr. Matthias Haudel, der Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster lehrt, ein umfassendes interdisziplinäres Handbuch: “Theologie und Naturwissenschaft”. Bei einer Tagung hat der Autor das Buch vorgestellt.
Der Untertitel des Buches ist aufschlussreich: „Zur Überwindung von Vorurteilen und zu ganzheitlicher Wirklichkeitserkenntnis“. Der Begriff „ganzheitliche Wirklichkeitserkenntnis“ zielt dabei nicht auf die vollkommene Erkenntnis der gesamten Wirklichkeit, sondern auf das Ernstnehmen der verschiedenen Aspekte der vielfältigen lebensweltlichen Dimensionen, in die unsere Existenz eingebunden ist. Denn diese Eingebundenheit kommt in unterschiedlichen Erfahrungsdimensionen zum Tragen, welche uns mehr oder weniger bewusst sind und welche wir mehr oder weniger an uns heranlassen, wobei sich mit dem Menschsein insgesamt die existenzielle Suche nach sinnvoller Ganzheit aller lebensweltlichen Zusammenhänge verbindet.
Haudel kommt zu dem Schluss, dass sowohl die Theologie als auch die Naturwissenschaften des Dialogs bedürfen.
- Für die Theologie ist der Dialog dabei nicht nur naheliegend, sondern er ergibt sich wesensmäßig aus der umfassenden Perspektive der Theologie, die Gott als „die Alles bestimmende Wirklichkeit“ (Rudolf Bultmann) und als Schöpfer, Erlöser und Vollender bekennt, wobei sie durch die heilsgeschichtliche Selbsterschließung des dreieinigen Gottes in der Erfahrungswirklichkeit der Welt verortet ist. „Alles Seiende ist Gegenstand der Theologie, und zwar unter dem Aspekt, was es mit Gott zu tun hat“ (so Joachim Weinhardt). Besonders angesichts des stark naturwissenschaftlich geprägten modernen Welt- und Selbstverständnisses bedarf die Vermittlung der Relevanz des Glaubens für die gesamte Wirklichkeit auch der Auseinandersetzung mit den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und ihrer weltanschaulichen Einordnung, damit Glaubens- und Wirklichkeitserfahrung nicht auseinandertreten.
- Den Naturwissenschaften drängt sich der Dialog auf, wenn sie die Grenzen ihrer Methoden, die Vielschichtigkeit von Wirklichkeitserkenntnis sowie ihre neue Offenheit für andere Dimensionen ernst nehmen. Der Dialog kann zur erkenntnistheoretischen Vertiefung ihrer Möglichkeiten und Grenzen verhelfen, was vor unangemessenen weltanschaulichen Verabsolutierungen zu bewahren vermag. Zugleich ermöglicht der Dialog die ethische Orientierung der Naturwissenschaften und der mit ihnen verbundenen Technik. Schließlich bietet der Dialog die Chance der ganzheitlichen lebensweltlichen Einordnung und Sinndeutung naturwissenschaftlicher Einsichten.
So können Theologie und Naturwissenschaft im Dialog gemeinsam zur Bewältigung der existenziellen Aufgabe beitragen, vor die sich die Menschen gestellt sehen, nämlich alle lebensweltlichen Zusammenhänge als sinnvolles Ganzes zu verstehen.