Überall, wo es Menschen gibt, gibt es Gärten. Sie verraten, wie der Mensch seine Stellung in der Natur sieht. Gärten können heute einen wichtigen Beitrag zur Umwelt, zum Artenschutz und zum Ausgleich des städtischen Mikroklimas leisten. In Theorie und Praxis hat die Gartentagung 2022 die ökologische, aber auch die soziale und politische Funktion von Gärten erlebbar gemacht.
Die Hohenheimer Gärten
Die Highlights des praktischen Teils waren die Führungen durch die Leiter der Hohenheimer Gärten, Dr. Helmut Dalitz und Dr. Robert Gliniars.
Die Hohenheimer Gärten sind eine zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Universität Hohenheim und dienen sowohl der Forschung als auch der Lehre. Der älteste Gartenteil, der Exotische Garten (Führung 1), wurde 1776 von Herzog Carl Eugen von Württemberg und Franziska von Hohenheim im Stil eines englischen Gartens gegründet. Integriert war ein künstliches Dorf in verkleinertem Maßstab (“Franziskas Dörfle”), von dem noch drei Objekte erhalten sind: das römische Wirtshaus, das Spielhaus und die Drei Säulen des donnernden Jupiter. Heute beherbergen die Gärten auf über 30 ha 8000 Pflanzenarten, die zahlreichen Tieren als Nahrungsstätte, Zufluchtsort und Brutmöglichkeit dienen. 18 “Baumveteranen” haben bereits die Zeit vor 1800 erlebt und bilden heute in ihrer Mächtigkeit ein imposantes Bild, und mehr als 180 Bäume der Gärten sind als “Rekordbaum” zertifiziert. Viele der älteren Bäume bieten großzügigen Platz für Nester, z. B. von Siebenschläfern und Vögeln, ihr Totholz wird gern von Insekten besiedelt.
“Über die Aufmerksamkeit, die den Bäumen zuteil wird, soll auch zu deren Schutz und langfristigem Erhalt beigetragen werden.” Robert Gliniars, StZ v. 06.09.21
Dies ist nur einer von vielen Aspekten des aktiven Arten-, Natur- und Landschaftsschutzes, der Biodiversität und der Nutzpflanzenkunde, mit denen sich die Hohenheimer Gärten seit vielen Jahren einen Namen gemacht haben, exemplarisch das 2021 eingerichtete Eidechsenhabitat mit Brut- und Jagdrevier, auch für Schmetterlinge ist ein eigenes Biotop im Angebot (siehe auch die Bilderstrecke unten).
Fotografische Eindrücke der Führungen
Ausdrücklich greift die zweite Führung das Tagungsthema auf, den Umgang des Menschen mit der Natur. Bei der Vegetationsgeschichte von der Eiszeit bis heute zeigt sich nämlich, wie sehr der Eingriff des Menschen das Bild der Natur geprägt hat und prägt. Die Waldentwicklung beispielsweise des Schwarzwaldes begann nach der Eiszeit mit Birken-Kiefer-Wäldern, gefolgt von Hasel-Kiefer- und Hasel-Wäldern. Darauf folgten Eichenmischwälder, die wiederum durch Buchen-Eichen- und später durch Buchen-Wälder abgelöst wurden. Die heutige Gestalt, der sogenannte “gestörte Tannen-Fichtenwald”, ist ein menschliches Kulturprodukt. Hintergrund ist z. B. die Erschließung des Schwarzwaldes durch Bergbau mit einhergehenden Rodungen und Waldbewirtschaftungen. Neuzeitliche Aufforstungen führten dabei zur Dominanz von Fichte und Kiefer.
Gärten in der Bibel
Wer bei biblischen Gärten zunächst an den Garten Eden denkt, wird überrascht sein, an welchen Stellen das Motiv des Gartens die Bibel durchzieht. Dr. Bettina Eltrop würdigte die Gartenerzählungen als “große Texte der Bibel” vor allem in ihrer Position als Anfangs- und Schlusstexte. So beginnt die Bibel damit, dass Gott in der Nichtlebenswelt einen Garten als Lebensraum für den Menschen schafft, und sie endet im Buch der Offenbarung mit dem endzeitlichen Gottesgarten, der dem ersten Eden gleicht. Man denke ferner an Jesus im Garten Getsemani, an den Garten der Auferstehung, in dem Maria von Magdala Jesus für den Gärtner hält usw. usf.
“Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass es Jesus war. Jesus sagte zu ihr: Frau, warum weinst du? Wen suchst du? Sie meinte, es sei der Gärtner, und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast! Dann will ich ihn holen. Jesus sagte zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und sagte auf Hebräisch zu ihm: Rabbuni!, das heißt: Meister. Jesus sagte zu ihr: Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen.” (Joh 20,14-16)
Nach Eltrop sprechen biblische Texte vom Garten als Begegnungsort mit Gott, mit sich selbst, mit anderen Menschen und Lebewesen. Der Garten als Lebensraum ist Gabe und Aufgabe: Der Mensch übernimmt von Gott die Aufgabe, Chaos zu beseitigen, Ordnung zu schaffen und Schwaches zu schützen. Darin haben die antiken Texte eine bleibende Bedeutung.
Artenvielfalt statt Einheitsrasen
Marina Moser, Doktorandin am Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart und Mitbegründerin der Initiative “Bunte Wiese Stuttgart“, stellte das Thema Garten in den umfassenderen ökologischen Kontext der (lebenswichtigen) Artenvielfalt. Dass das Insektensterben bedrohliche Ausmaße annimmt, hat sich inzwischen herumgesprochen; wir haben dazu bereits zwei Tagungen durchgeführt. Immer wieder muss man sich dabei bewusst machen, dass Insektenschutz kein Hobby von Ökoromantikern ist, sondern unsere eigenen Lebensgrundlagen betrifft. Selbst wer gern in rein wirtschaftlichen Rastern denkt, wird einsehen, dass Insekten allein schon durch ihre Bestäubungsleistung einen großen, kaum ersetzbaren ökonomischen Wert haben.
Gefordert, so Moser, sei in dieser Hinsicht nicht nur die Landwirtschaft durch Reduktion des Pestizideinsatzes, Erhöhung der Strukturvielfalt und rücksichtvolle Mähpraktiken. Auch der einzelne als Verbraucher stehe in der Verantwortung und könne durch biologischen, regionalen, saisonalen und fleischlosen bzw. fleischarmen Einkauf positiv Einfluss nehmen.
Das alles ist weitgehend bekannt – wenn auch keineswegs hinreichend umgesetzt. Weniger bekannt war hingegen, wie genau man den eigenen Garten insektenfreundlich gestalten kann. Hier hielt Moser zahlreiche Tipps für Hobbygärtner bereit: Geeignete Gehölze für größere Gärten, Pflanzen für Staudenbeet und “Naschkasten”, geeignete Samenmischungen, nicht zuletzt biodiversitätsförderndes Mähen. Wussten Sie, dass man Mahdgut bei jeder Mahd komplett abräumen sollte statt damit zu mulchen? Wussten Sie, dass man idealerweise nur zweimal im Jahr mähen sollte?
Die zahlreichen Tipps und weiterführenden Links finden Sie in der Präsentation, die Marina Moser zur Verfügung gestellt hat:
Präsentation als pdf-Datei (10mb)
Gemeinsinn als Dünger

Für Andreas Zeger bringt Urban Gardening nicht nur mehr Gemüse für alle, sondern vor allem mehr Grün in die Stadt.
Der Titel deutet schon an, dass Gärten auch eine soziale Dimension haben (können). Andreas Zeger hat sich als Gründer und Leiter von “Chloroplast Stuttgart e.V.” mit Leib und Seele den soziokulturellen Dimensionen des urbanen Gärtnern verschrieben. Sein gemeinnütziger Verein verbindet Urban Gardening mit Handwerk und Kultur, dies mit vielen Partner:innen aus der Region und in deutschlandweiter Vernetzung. Das Institut für Landschaftsarchitektur und Ökologie der Uni Stuttgart ist in der langen Kooperationsliste ebenso vertreten wie die Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau Heidelberg und die Uni Hohenheim beim Forschungsprojekt Bienen. Die Aktivitäten sind ausgesprochen vielfältig und am prägnantesten in der Selbstdarstellung zusammengefasst.
“Die Bandbreite unserer Aktivitäten reicht von einfachen Hochbeet-Bepflanzungen bis hin zu Innovationen, die eine nachhaltige Landwirtschaft der Zukunft ermöglichen. In unserem Gewächshaus befindet sich beispielsweise eine selbst installierte Aquaponik-Anlage. Unseren interdisziplinären Arbeiten begegnest Du nicht nur auf dem Walz-Areal in Weilimdorf, sondern in ganz Stuttgart. Derzeit setzen wir etwa eine Gestaltung von Freiflächen rund um den Kultur Kiosk am Züblin-Parkhaus im Leonhardsviertel gemeinsam mit AnwohnerInnen und künftigen NutzerInnen um. Außerdem sind wir regelmäßig mit unseren Installationen bei Ausstellungen vertreten, etwa in den Wagenhallen oder der Akademie Schloss Solitude.” (Chloroplast.eu)
Um das Beispiel der Aquaponik aufzugreifen: Im Rahmen des biologischen Gärtnerns wurde ein Kreislaufsystem aus Aquakultur mit Fischzucht und Hydrokultur mit Pflanzenzucht entwickelt, bei dem die Tiere den Pflanzen Nährstoffe zukommen lassen und die Pflanzen das Wasser reinigen. Die hohe Nachfrage nach biologisch angebauten Jungpflanzen mündete schließlich auch in eine Pflanzentauschbörse, bei der man Jungpflanzen tauschen oder gegen eine geringe Spende erhalten konnte.
So wird der Garten als Raum öffentlich, in dem neben Gärtnern auch der soziale Austausch einen Platz hat. Das Engagement nimmt dabei zuweilen auch größere Dimensionen an wie bei der Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingskreis Weilimdorf im Jahre 2015, die sich auch jetzt bei den aktuell Geflüchteten aus der Ukraine erneut bewährt.
Es stimmt hoffnungsvoll, dass solche Urban-Gardening-Projekte wahrgenommen und ausgezeichnet werden. Der Preis, der Chloroplast 2018 als offizielles Projekt der “UN-Dekade Biologische Vielfalt” im Sonderwettbewerb “Soziale Natur – Natur für alle” ausgezeichnet hat, stehe hier exemplarisch als Würdigung für die soziale Dimension des Urban Gardening.
Unterwegs zu einer Philosophie des Gartens
Viele der praktischen Eindrücke der Tagung lassen sich in einer “Philosophie des Gartens” wiederfinden. Mit Ihrem Beitrag “Quelle des Lebens und Ausdruck von Kreativität” charakterisiert Regine Kather die Bedeutung von Gärten in Geschichte und Gegenwart. Kather entfaltet die historische Vielfalt von Gartenanlagen und stellt naturnahe Gärten in ihrem Zusammenspiel von ökologischen, ethischen und ästhetischen Aspekten vor. Der Garten ist durch seine Herausforderung immer auch ein Ort der Selbstbegegnung, durch die man viel über sich selbst lernt: seine Ungeduld, seine Erwartungen, seine Frustrationstoleranz, seine Ausdauer, seine Fähigkeit, sich auf anderes einzustellen und über seine ästhetischen Vorlieben.
Der Beitrag ist eine Überarbeitung des Gartenvortrags von 2021, der dort zusammenfassend dokumentiert ist. Hier nun der Volltext des Vortrags von Regine Kather:
Credits
Fotos von Beate Schnarr, Heinz-Hermann Peitz, Akademie
Gemälde “Noli me tangere” von Titian, Public domain, via Wikimedia Commons