
Bild von JosieLapczynski, CC0 via pixabay.com
Corona- und Klimakrise haben verstärkt die Suche des Menschen nach einem neuen Verhältnis zur Natur getriggert. Dabei spielt die Beziehung zu den Tieren eine besondere Rolle. Die unzweifelhafte Vernetzung des Menschen mit der Natur führt vielerorts dazu, die Grenze zwischen Mensch und Tier zu nivellieren, bis hin zur Einforderung von Grundrechten für Primaten. Was davon ist ethisch geboten oder fragwürdig?
Die Diskussion um das Mensch-Tier-Verhältnis hat freilich eine lange Tradition. Man denke an Kants auf den Menschen bezogene Selbstzwecklichkeitsformel, Peter Singers gegen die Vorrangstellung des Menschen gerichteter Speziesismusvorwurf, das damit zusammen hängende Great Ape Project, die Diskussionen um anthropo-, bio- oder pathozentrische Umweltethik, die Aufnahme der “Würde der Kreatur” in die Bundesverfassung der Schweiz, man denke last but not least an die aktuelle Besinnung der Theologie auf ihre Tiervergessenheit – um nur ein paar willkürlich herausgegriffene Stationen und Schlagwörter zu benennen.
Wie mir scheint, zeichnen sich besonders in der ethisch-theologischen Diskussion – sehr vereinfacht gesagt – zwei Tendenzen ab: Die einen halten an der Sonderstellung des Menschen und an der Grenze zwischen Mensch und Tier fest, die anderen geben die Sonderstellung auf und nivellieren die Grenze. Indikatoren für die jeweilige Position können Ausdrücke wie “wir und die anderen Tiere” sein, aber auch die Stellung zum Würdebegriff, den man entweder dem Menschen vorbehalten oder aber auch anderen Kreaturen zuschreiben will. In der unten abgebildeten Presseschau verbindet sich die Relativierung der Grenze mit Namen wie Julia Enxing, Kurt Remele, oder Simone Horstmann. Laut Horstmann könne man von den Tieren lernen, aus dem Denken der ‘scala naturae’ auszubrechen, dem hierarchischen Pyramidendenken mit dem Menschen an der Spitze. Für Philosophie und Theologie geht sie davon aus, “dass die Unterscheidung Mensch–Tier nicht mehr trägt” und “die grossen Unterscheidungen aufgebrochen [werden], die immer eine Grenze zwischen Mensch und Tier gezogen haben”.
“Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir wieder lernen, den Menschen im Affen zu sehen.” Ferris Jabr im Artikel vom 17.09.2014
Die Gegenseite, wie z. B. Hans-Dieter Mutschler, sieht hier die Gefahr, “das Tier zum Menschen aufzuplustern, um die Differenz auf diese Weise zum Verschwinden zu bringen”. Dies sei genauso fatal wie die Auflösung der Grenze durch den Naturalismus, der den Menschen so lange “heruntertransformiert, bis er sich nicht mehr vom Tier unterscheidet”. Bei aller Verwobenheit des Menschen mit der Natur sei an der Differenz festzuhalten. Der Vorwurf, dass wir vergessen hätten, Teil der Natur zu sein, sei plausibel aber falsch. Gut dialektisch seien wir zwar auch Teil der Natur, gleichzeitig aber stünden wir in reflexiver kultureller Distanz zu ihr. An der Sonderstellung des Menschen sei also gegen “progressiv sich dünkende Theologen” festzuhalten, und wenn man den Würdebegriff univok auf die Tiere übertrage, habe das “die übelsten Konsequenzen”. Solche Konsequenzen werden auch in dem Beitrag von Suzann-Viola Renninger und Thorsten Buch ins Feld geführt. So führe es in eine rechtliche Schieflage, in einer Gesellschaft von Gleichen (also Menschen und Primaten) den Mitgliedern gleiche Grundrechte, aber nicht gleiche Grundpflichten einzuräumen: Töte ein Mensch einen Gorilla, sei dies Mord; töte ein Gorilla einen Menschen, sei dies weder moralisch noch gerichtlich zu verurteilen.
“Es gibt keine, noch so törichte, Entwicklung in der Profangesellschaft, die nicht flugs von besonders ‚progressiven‘ Theologen aufgegriffen wird.” Hans-Dieter Mutschler im Artikel vom 01.07.2019
Beide Richtungen sind sich allerdings darin einig, dass Tieren kein reiner Nutzwert zukommt, sondern ein Wert an sich, ein “intrinsischer Wert”. Allein dies dürfte schon Grund genug sein, unseren Umgang mit Tieren und der Natur insgesamt grundlegend zu verändern.
Heinz-Hermann Peitz
Presseschau zum Mensch-Tier-Verhältnis
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