Methode und Reichweite der Naturwissenschaften
Jahrestagung des Religion and Science Network Germany (RSNG), 28.-30. September 2012, Tagungszentrum Stuttgart-Hohenheim
Für einen gelingenden interdisziplinären Dialog gehört die Frage nach Methode und Reichweite der Naturwissenschaften zu den notwendigen Grundlagen. Auf dem Kongress wurden allgemeine erkenntnis- und wissenschaftstheoretische Einsichten an inhaltlichen Details diskutiert.
Einen Vorgeschmack auf die Gesamtvorträge wollen die beiden Kurzinterviews mit zwei Hauptreferenten vermitteln:
Mutschler: Wissenschaft und Lebenswelt
Gutmann: Reichweite der Biologie
Die Hauptvorträge veranschaulichen erkenntnis- und wissenschaftstheoretische Einsichten in Methode und Reichweite der Naturwissenschaften – zunächst in allgemeinen Einführungen: Tobias Müller expliziert das Tagungsthema in einem fundierten philosophischen Diskurs, Hans-Dieter Mutschler fragt nach dem Verhältnis von Wissenschaft und Lebenswelt. Die allgemeinen Erkenntnisse zu Methode und Reichweite werden einzelwissenschaftlich exemplifiziert durch Mathias Gutmann, Biologe und Philosoph, und Stefan Bauberger, Physiker und Philosoph. Billy Grassie, weltweit engagierter Religionswissenschaftler, eröffnet Zukunftsperspektiven und formuliert Bedingungen für das Gelingen eines globalen Dialogs.
Beiträge der Tagung
Tobias Müller benennt Aspekte, die den Erfolg der Naturwissenschaften bedingen, gleichzeitig aber auch die Reichweite der naturwissenschaftlichen Erklärung einschränken. Danach charakterisieren Naturwissenschaften in ihren Beschreibungen bestimmte Aspekte der Wirklichkeit, die von den jeweiligen Methoden abhängig sind.
Gegenüber einer Auffassung, in der die Lebenswelt als oberflächlich, die Wissenschaft als wesentlicher Zugang zur Wirklichkeit verstanden wird, bringt Hans-Dieter Mutscher den Primat der Lebenswelt zur Geltung.
Mathias Gutmann fragt (anhand der Beispiele "Evolution" und "Genetik") danach, welchen Sitz im Leben die Biologie hat, in welcher Weise man von lebensweltlichen Bestimmungen zu wissenschaftlichen Bestimmungen kommt und welche Konsequenzen dieser Weg für die Geltung wissenschaftlicher Aussagen hat.
Stefan Bauberger ist einerseits fasziniert vom Erfolg der Physik in ihrer objektivierenden und verallgemeinernden Methode. Gleichzeitig weist er aber auf die Kompatibilität mit anderen Perspektiven der Betrachtung hin. Dabei versteht Bauberger Subjektivität und Besonderheit nicht als Erkenntnisdefizit, sondern als alternative Erkenntnisform.
Nach William Grassie muss die neue evolutionäre Kosmologie (die "große Geschichte") frühere religiöse Kosmologien ersetzen. Diese können nach wie vor metaphorisch und metaphysisch interpretiert werden, nicht jedoch buchstäblich als Schilderung realer Ereignisse. In der "Großen Geschichte" findet Grassie phantastische Anknüpfungspunkte für Transzendenz.
Wer, was, wann und wo? Eine wichtige Funktion der RSNG-Jahrestagung besteht im Kennenlernen bestehender und neuer interdisziplinärer Projekte sowie deren Vernetzung. Vor allem Nachwuchswissenschaftler haben Gelegenheit, ihre Vorhaben mit erfahrenen Wissenschaftlern auszutauschen.