Über Nahtoderfahrung, Seele und Auferstehung

von Hans Kessler

Hans Kessler
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„Unsterbliche Seele – Auferstehender Leib“: kann man so etwas begründet annehmen?

Der Tod bilde dem Theologen Hans Kessler zufolge für unser Erkennen eine unübersteigbare Grenze. Wir wüssten nicht, was „nach“ dem Tod kommt. Wir hätten keine Informationen darüber. Wir hätten Hoffnungen, Hoffnungsentwürfe. Bei allen solchen Hoffnungsentwürfen hätten wir die gleiche erkenntnistheoretische Ausgangslage: Sie seien wissenschaftstheoretisch gesehen Hypothesen, existenziell gesehen gewagte Glaubenshoffnung. Man könne ihre Voraussetzungen und Grundlagen prüfen und ihre mehr oder weniger guten Begründungen, ihre innere Stimmigkeit oder Nicht-Widersprüchlichkeit und ihre Vereinbarkeit mit unserem Erfahrungswissen. In diesem Sinne frage man nach ihrer Vernunftgemäßheit und danach, was sie für das Leben und das Sterben bedeuten.
Am ehesten „widerspruchsfrei“ könne eine „Auferstehung im Tod“ gedacht werden, wie dies in der frühen Kirche für Maria und die Märtyrer angenommen wurde. Auferstehung bedeute ein Verwandelt- und Aufgenommen-werden in „die radikal andere, transzendente Dimension Gottes“. „Die früheren Beziehungen der Person werden auch nicht festgeschrieben, sondern heil-gemacht, geläutert, zurecht-‚gerichtet‘, erlöst, voll-endet“ im Sinn einer zutiefst ersehnten, wahren und vollen Identität.

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      Zusammenfassung

      Wie Regine Kather bezog sich auch der Theologe Hans Kessler auf Pim van Lommel und die Erfahrungen an der Schwelle zum Tod, die immerhin von vier Prozent der Menschen bezeugt würden. Am Beispiel der von Geburt an blinden Vicky, die 22-jährig in einem Nahtod-Erlebnis sich erstmals selbst sehen konnte, machte Kessler deutlich, dass solche Erfahrungen nicht durch selbstinduzierte chemische Stoffe im sterbenden Gehirn ausgelöst sein können. Damit werde vorstellbar, dass es einen „Identitätsträger“ (Seele) unabhängig vom Körper gibt. Anders verhält es sich mit dem Leib als „Ausdrucksgestalt der Person“, der auf Erden mit dem biologischen Körper verklammert sei, im Jenseits aber als immaterielle, unvergängliche „Realisierungsform“ der Seele gedacht werden müsse.

      Die unterschiedlichen biblischen Vorstellungen dazu (Erhöhung, Entrückung, Verklärung, Auferstehung am Weltende, Bei-Gott-sein im Himmel, unsterbliche Seele, Überkleidetwerden mit Unvergänglichkeit) lassen sich Kessler zufolge nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Am ehesten „widerspruchsfrei“ könne eine „Auferstehung im Tod“ gedacht werden, wie dies in der frühen Kirche für Maria und die Märtyrer angenommen wurde. „Jesu Grab musste nicht leer sein.“ Auferstehung bedeute ein Verwandelt- und Aufgenommen-werden in „die radikal andere, transzendente Dimension Gottes“. „Die früheren Beziehungen der Person werden auch nicht festgeschrieben, sondern heil-gemacht, geläutert, zurecht-‚gerichtet‘, erlöst, voll-endet“ im Sinn einer zutiefst ersehnten, wahren und vollen Identität.

      Kessler diskutierte verschiedene „Vorstellungsmodelle“ zur biblischen Rede vom „Jüngsten Tag“ als „Weltende“ (kollektive Auferstehung mit ‚Wartezustand‘ vorher, Ganztod mit Neuerschaffung aus nichts) und fragte auch nach dem Verbleib des „Materiellen“ als „Moment“ an der Vollendung des Geistes. Durch die Erfahrung der Einwohnung des „Pneuma“ (Gottesgeistes) im Glauben und Gestalt-gewinnen Christi im Gläubigen geschehe schon hier eine Prägung und „Wandlung des inneren Ich zu seinem eigentlichen, wahren Selbst“, vollkommen allerdings erst im Tod. Die „Wiederkunft“ Christi zum „Gericht“ werde für jeden Menschen im Augenblick des Todes „unmittelbare Realität“ (so auch Karl Rahner).

      Der Vortrag beschloss die Tagung „Unsterbliche Seele – Auferstehender Leib. Neue philosophische und theologische Konzepte“ vom 27.-28. Juni 2014 im Tagungshaus Weingarten.


      Die Beiträge der Tagung