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Hans Dieter Mutschler hat sich zum Thema “Naturwissenschaft und Spiritualität” schon zur Erstellung seines gleichnamigen Buches quasi überreden lassen. Denn das Verhältnis beider sei nicht so unmittelbar, wie manche “paganen Neomystiker” es glauben machen wollten. Um diesen aber das Feld nicht allein zu überlassen, lässt sich Mutschler auf das Thema ein.
Mutschler möchte, weil er das Problem für sehr verwickelt hält, zunächst einmal die Diskontinuität zwischen Spiritualität und Wissenschaft deutlich herausarbeiten. So stehe eine naturwissenschaftliche Weltbeschreibung für eine objektivierende und zweckrationale Beobachterperspektive. Ganz anders die Kontemplation, die eher für die subjektive Betroffenheitsperspektive stehe. Den Kontemplativen interessiert z.B. nicht, ob ein schöner Baum, den er betrachtet, eine genetisch programmierte Maschine ist, deren Eigenschaften möglichst überlebenstauglich eingerichtet sind. Das sei natürlich auch der Fall und könnte z.B. einen Biologen interessieren. Demgegenüber durchbreche die Kontemplation den Kausalzusammenhang oder die zweckrationale Einbindung des Realen.
Trotzdem ist Mutschler nicht der Meinung, dass Wissenschaft in praktischer Weltbewältigung aufgeht. Insofern sie es nicht tue, gebe es Querverbindungen zwischen Spiritualität und Wissenschaft. Wenn der Naturwissenschaftler sein Tagesgeschäft betreibe, leiste er Verstandesarbeit. Dann kann ihm das Absolute, das allem Zugrundeliegende, niemals zu Gesicht kommen. Nun hindere natürlich nichts, dass auch ein Wissenschaftler eine Einheitserfahrung macht, dann nämlich, wenn er nicht nur rechnet und analysiert. Aber dazu müsse er einen Schritt von seinen Forschungen zurücktreten.
“Der Forscher muss eine kontemplative Distanz herstellen, er muss sozusagen vom Laboratorium ins Oratorium überwechseln” (Mutschler)
Wie schwierig es sei, Naturwissenschaft und Spiritualität zusammen zu bringen, zeige der Jesuit und Paläontologe Teilhard de Chardin. Er sei zwar ein begnadeter Mystiker gewesen, aber seine Schau in der Wissenschaft selbst zu verankern, sei ihm nicht gelungen. Das schmälere jedoch keineswegs seine inspirierende Perspektive auf die Einheit unserer Welt.
Der Wunsch nach Vereinbarkeit finde nicht immer eine glatte Lösung. Gerade der gläubige Mensch zeichne sich dadurch aus, Unvereinbares einfach stehen lassen und erdulden zu können. Und dazu gehöre auch der Unterschied zwischen Spiritualität und Naturwissenschaft.
Beiträge der Tagung (inkl. Link zu den Projektvorstellungen)
Unter dem Titel "Erfahrung und Transzendenz" ging es vom 1. bis 3. Oktober 2021 um die "Deutung von religiöser Erfahrung in Lebenswelt, Theologie und Naturwissenschaften" - so der Untertitel. Die Dokumentation des Kongresses im Rahmen des "Religion and Science Network Germany" (RSNG) enthält die Hauptvorträge und die Projektvorstellungen.
Tobias Müller hat sich als Aufgabe des Eröffnungsvortrags vorgenommen, zwei große Container Begriffe begrifflich zu präzisieren, nämlich "Religion" und "Erfahrung". Dabei dürfe man die Erfahrung nicht auf bestimmte Erlebnisse beschränken. Es könne sich hierbei um außergewöhnliche mystische Erlebnisse, aber auch um die von Whitehead erwähnte Resonanzerfahrung handeln.
2021 publizierte der Systematische Theologe Matthias Haudel ein umfassendes interdisziplinäres Handbuch: "Theologie und Naturwissenschaft". Dass auch das Thema der diesjährigen Tagung dort ausführlich behandelt wird, war Anlass genug, den Autor zu einer Buchvorstellung mit thematischem Schwerpunkt einzuladen.
Mutschler möchte zunächst einmal die Diskontinuität zwischen Spiritualität und Wissenschaft deutlich herausarbeiten. So stehe eine naturwissenschaftliche Weltbeschreibung für eine objektivierende Beobachterperspektive. Ganz anders die Kontemplation, die eher für die subjektive Betroffenheitsperspektive stehe. Der Wunsch nach Vereinbarkeit finde nicht immer eine glatte Lösung. Gerade der gläubige Mensch zeichne sich dadurch aus, Unvereinbares einfach stehen lassen und erdulden zu können.
Gabriele Stotz-Ingenlath reflektiert über Religiöse Erfahrung aus psychiatrischer Sicht. Neben der Pathologie der religiösen Erfahrung kommt auch die religiöse Erfahrung als psychosoziale Ressource in den Blick.
Das Thema der Nahtoderfahrung stellt nicht nur für die Naturwissenschaften, sondern auch für die Theologie eine Herausforderung dar. Prof. Dr. Enno Edzard Popkes griff diese Spannung in seinem Vortrag „Nahtoderfahrung und ihre Bedeutung für die Theologie“ auf und zeigte die Beziehungen zwischen den nachösterlichen Berichten über den auferstandenen Jesus und Nahtoderfahrungen.
Auch in diesem Jahr gab es zahlreiche Projektvorstellungen auf akademisch hohem Niveau. Wie üblich stellt die Auswahl zunächst Projekte vor, die dem Schwerpunkt “Erfahrung und Transzendenz” zuzuordnen sind, es folgen Projekte mit anderen interdisziplinären Fragestellungen.