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Donauwörth : Auer
2009
Mitten in der aktuellen Debatte - christlichen Schöpfungsglauben und Evolutionsbiologie im Unterricht diskutieren! Der Mensch stammt vom Affen ab, daran gibt es keinen Zweifel - oder etwa doch? Die Frage "Evolution oder Schöpfung?" wird nicht nur in den Medien heiß diskutiert. Anhand dieser aktuellen Debatte zum Lehrplanthema Gottesbeweis lernen die Schüler neben wissenschaftlichem Arbeiten, kontroverse Positionen zum christlichen Glauben zu überprüfen und besonders das dem Kreationismus zugrundeliegende Bibelverständnis und den "Neo-Atheismus" kritisch zu betrachten. Dabei entwickeln und reflektieren sie ihren eigenen religiösen Standpunkt und lernen, diesen auch zu vertreten.
Matthias Roser, Lehrer und Fachbereichsleiter für evangelische Religion, legt eine umfassende Material- und Ideensammlung zur Kontroverse “Evolution und Schöpfung” vor, die soeben auf dem Markt erschienen ist.
In die Kontroverse geht nicht nur die seit einigen Jahren heftig geführte Debatte um Kreationismus und Intelligent Design ein. Völlig zu Recht bezieht der Autor den sog. Neuen Atheismus mit ein, der in gewisser Hinsicht als Reaktion auf den Kreationismus verstanden werden kann. Mit dem Autor kann man der Meinung sein, dass diese Kontroverse im Darwinjahr 2009 einen Höhepunkt erreichen wird. Der Band ist damit an Aktualität nicht zu überbieten.
Auch die inhaltliche Qualität kann überzeugen. Roser weiß, wovon er spricht, promoviert er doch zum deutschen Kreationismus bei Christian Kummer. Deshalb ist das Buch nicht nur als Materialsammlung interessant, auch die inhaltliche Einführung ist als Kurzinformation lesenswert. Prägnant skizziert Roser die anspruchsvolle Aufgabe, vor der Theologie und Glaube, aber auch Pädagogik stehen:
Gegen den Anspruch des Kreationismus und gegen Intelligent Design ist der methodische Naturalismus der Naturwissenschaften zu behaupten, gegen den neuen Atheismus ist die Auseinandersetzung mit dem ontologischen Naturalismus zu suchen.
Die Problemlösung sieht der Autor in der Folge Karl Rahners, dessen Konzept der aktiven Selbstüberbietung bereits den Weg zwischen Skylla (Kreationismus, ID) und Charybdis (neuer Atheismus) gewiesen habe. In der Tat entdeckten einige interdisziplinär arbeitende Philosophen und Theologen Karl Rahner als Basis ihrer theoretischen Entwürfe wieder (Benk, Brüntrup, Kessler, Kummer, Mutschler etc.). Rosers Ansatz ist also grundsolide und befindet sich in bester akademischer Gesellschaft.
Vor diesem Hintergrund sind für die Zusammenstellung der Materialien 10 schülerorientierte Lernziele leitend gewesen:
1. Kenntnisse über Charles Darwin und die von ihm begründete Evolutionstheorie
2. Kenntnisse über den christlichen Fundamentalismus
3. Konfrontation der kreationistischen Bibelhermeneutik mit dem eigenen Bibelverständnis
4. Unterscheidung von Kreationismus und Intelligent Design
5. Unterscheidung von Kreationismus und wissenschaftlich reflektierter Theologie; eine Unterscheidung, die vom Neoatheismus medienwirksam verwischt wird (siehe meine Besprechung des Buches “Susi Neunmalklug erklärt die Evolution“).
6. Einsicht in die Grenzüberschreitung von Creation Science und ID hin zur Biologie, wenn jene behaupten, die “bessere Naturwissenschaft” zu sein
7. Kennenlernen von fundierter naturwissenschaftlicher Kritik an Kreationismus und ID.
8. Erarbeiten und Verteidigen eines tragfähigen Beziehungsmodells von Schöpfung und Evolution
9. Medienkompetenz im Umgang mit Pro-ID-Filmen und ID-kritischen Medien
10. Produktion eines Video- oder Radio-Features, um die Schüler-Erkenntnisse einer Öffentlichkeit zu präsentieren.
Um diese ambitionierten (vielleicht über-ambitionierten) Ziele zu operationalisieren, hat Roser zwei Projektvorschläge und 35 Materialblätter zusammen getragen und tabellarisch mit den Lernzielen in Beziehung gesetzt. Auf diese Weise kann sich jeder aus der Materialfülle das für ihn Passende heraussuchen.
Als einzigen, aber nicht unerheblichen, Nachteil empfinde ich es, dass dem wichtigen Lernziel 8 (“tragfähiges Beziehungsmodell”) letztlich nur ein einziger Text positive Argumente zuspielt, nämlich der Beitrag von Christian Kummer: Evolution – ein Segen für die Theologie. Dieser – unbestritten gute – Beitrag wird förmlich erdrückt von Texten zu Lernziel 8, die allenfalls als Negativfolie dienen können: Paley als Vertreter einer natürlichen Theologie auf der einen, und atheistische Prominenz auf der anderen Seite (Kantischeider, Dawkins) sind vergleichsweise dominant. Der Autor plant jedoch, diesen Mangel dadurch zu beheben, dass er baldmöglichst auf der Website des Auer-Verlages zusätzliche Materialien zum Download zur Verfügung stellen wird, die ein Beziehungsmodell im Anschluss an Karl Rahner intensiver diskutieren.
Auf jeden Fall: Zusammen mit den kommentierten Literaturhinweisen, empfehlenswerten Internetlinks und Medienhinweisen verdient das 82-seitige Buch eine uneingeschränkte Empfehlung – nicht nur für Lehrer, sondern auch für Leser, die sich mit Primär- und Sekundärtexten in die Kontroverse um Evolution und Schöpfung einarbeiten möchten.
Wer nicht die Katze im Sack kaufen, sondern sich ein eigenes Bild verschaffen möchte: Auf derWebsite des Auer-Verlages kann der gesamte Band durchgeblättert werden. Vorbildlich!
Zum Autor
Matthias Roser ist Lehrer und Fachbereichsleiter für evangelische Religion an einer Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe; er arbeitet an einer Dissertation zum Thema und steht auf Anfrage für Veranstaltungen zur Verfügung.
Kontakt: http://www.theologie-kontrovers.de