- Philip Clayton über Interdisziplinarität in den USA, Deutschland und weltweit - 8. Oktober 2017
- Gott und die Wissenschaften – Versuch eines konstruktiven Panentheismus - 8. Oktober 2017
- Die Emergenz des Geistes - 22. Mai 2006

Ich bezweifle sehr, dass Gott eine externe kausale Kraft ist.
Der Tagungsbeitrag von Philip Clayton stellt eine Fundierung dessen zusammen, was dieser als Panentheismus stark machen möchte. Für Clayton ist Panentheismus die These, dass die Welt in Gott ist, aber Gott auch mehr als die Welt. Zu einem solchen Panentheismus gelangt Clayton vor allem über das Konzept der gegenseitigen Immanenz, das er über Naturwissenschaft, Philosophie und Theologie als Grundprinzip der Wirklichkeit auszuweisen versucht.
Von den Naturwissenschaften zeige besonders die Biologie mit ihren Systemen gegenseitiger Abhängigkeiten und Kooperationen, dass diese nicht nur auf kausal-externe, sondern auch auf interne Weise miteinander in Beziehung stehen: Die Deutlichkeit der Psychosomatik zeige sich dabei analog auch auf Zellebene.
Bei der Suche nach ähnlichen Formen systemischer Bezogenheit im philosophisch-theologischen Bereich stößt Clayton zunächst auf A. N. Whitehead und F. H. Bradley, beide Vertreter einer Philosophie der Beziehungen – und zwar nicht nur externer, sondern v. a. interner Beziehungen. Dinge seien nichts ohne ihre Beziehung, vielmehr durchdringe mit Bradley „jede Relation … wesentlich das Sein ihrer Bezugspunkte“. Und mit Whitehead verlange „das Zusammensein der Dinge nach einer Lehre gegenseitiger Immanzenz“.
Mit der gegenseitigen Immanenz sei dann theologischer Boden vorbereitet. Wenn es stimmt, dass „Relationen nur in einem und durch ein Ganzes existieren“ (Bradley) liege zunächst einmal zumindest eine Art Panpsychismus nahe.
An dieser Stelle stellt Clayton in einer Randbemerkung die offene Frage, ob seine Position ebenfalls als Panpsychismus bezeichnet werden könne. Dagegen spreche zwar, dass für ihn leblose Dinge keine Psyche hätten und er sich deshalb für einen starken Emergentismus ausspreche. Aber könne er nicht „emergenter Panpsychist“ sein?
Wie auch immer: Wenn man Panpsychismus mit gegenseitiger Immanzenz kombiniere, erhalte man eine Auffassung, „in der alle Dinge zu verflochtenen Teilen einer einzelnen allumfassenden Realität werden, aber ohne dass sie ihre jeweils ausgeprägte Individualität verlieren“.
Als letzten Gewährsmann greift Clayton auf das neueste Buch des Theologen John F. Haught zurück, der zwar auch den zentralen Stellenwert der Innerlichkeit betont, nun aber als emergentes Phänomen: Die Dimension von Innerlichkeit „ist koextensiv mit der gesamten Geschichte der Natur“. Damit ermögliche schließlich „die Emergenz reflektierenden Denkens in der menschlichen Spezies dem Universum, sich seiner selbst bewusst zu werden“; mehr noch: sie ermögliche einen „Sinn für das Unendliche“, „eine vereinheitlichende unendliche Transzendenz“.
Clayton verknüpft diese Emergenz menschlicher Innerlichkeit mit der göttlichen Innerlichkeit, wobei sich auch hier das Konzept gegenseitiger Immanenz bewährt: „Würde die Welt aus einer riesigen Menge unabhängiger Substanzen bestehen, müsste Gott womöglich in einem externen Sinn auf sie bezogen sein. Aber wenn die Welt von internen Relationen durchzogen ist, so dass Alles gegenseitig immanent in Anderem ist, so wäre es nur natürlich, die Gott-Welt-Beziehung auf dieselbe Weise zu konzipieren“.
Ein solcher Panentheismus, der Gott nicht als externe kausale Kraft versteht, bilde einen Rahmen, in dem die Debatte zwischen Religion und Naturwissenschaften neu justiert werden kann, denn eine Theologie gegenseitiger Immanenz stehe in keiner Weise im Widerspruch zu naturwissenschaftlicher Forschung. Nicht, dass andere Rahmensysteme falsch wären, „sie sind nur theologisch weniger fundamental“.
Bei der Tagung hat Godehard Brüntrup die Position Philip Claytons kritisch gewürdigt. Die abschließende Podiumsdiskussion hat Unterschiede und Konvergenzen zwischen Brüntrup und Clayton deutlich werden lassen:
Tagungsübersicht und Beiträge der Tagung
Wie ist das Verhältnis von Gott und Welt zu denken? Zwischen einer dualistischen Trennung (klassischer Theismus) und einer schlichten Identifizierung (Pantheismus) sucht der Panentheismus einen Mittelweg, der auf dem RSNG-Kongress am 6.-8.10.17 diskutiert wird. (Bild © CrazyCloud – fotolia)
Dennis Stammer fragt, ob der Vorteil des Panentheismus für den interdisziplinären Dialog mit Abstrichen bei den klassischen Gottesattributen erkauft wird? Ist Gott z. B. noch als Person zu denken?
Für Klaus Müller münden sowohl anthropologische wie kosmologische Reflexionen theologisch gesehen in eine panentheistisch konturierte philosophische Gottesrede.
Nach Holm Tetens muss der Panentheismus die teleologische Frage nach dem Wozu auch gegenüber den teleologisch abstinenten Naturwissenschaften in Geltung setzen.
Da von der Naturwissenschaft keine direkte Brücke zum Panentheismus führt, empfiehlt Hans-Dieter Mutschler eine philosophische Vermittlung, eine Metaphysik der Natur.
Für Philip Clayton justiert ein Panentheismus die Debatte zwischen Religion und Naturwissenschaften neu, denn eine Theologie gegenseitiger Immanenz steht in keiner Weise im Widerspruch zu naturwissenschaftlicher Forschung.
Godehard Brüntrup stellt an Philip Clayton die Anfrage, welche Art von Panentheismus er vertrete und wie er das panentheistisch typische Problem des "doppelten Gottes" vermeiden wolle.
In der Abschlussdiskussion zwischen Philip Clayton und Godehard Brüntrup konnten einige Haupt-Unterschiede in konsensfähige Lösungen überführt werden.
Am Rande des RSNG-Kongresses 2017 sprach Heinz-Hermann Peitz mit Philip Clayton über Interdisziplinarität in den USA, in Deutschland und der Welt.
Projektvorstellung Andreas Reitinger: Gott, Welt und Leid aus prozesstheologischer Perspektive - Whiteheads Panentheismus als Beitrag zur Theodizeefrage
Christian Höger hat u. a. in seiner Zeit als Gymnasiallehrer Schüler über Jahre begleitet und festgehalten, wie sich deren Einstellungen im Blick auf naturwissenschaftliche und religiöse Ursprungsfragen verändern.