- Der kultivierte Affe - 11. Juni 2016
- Menschenaffen zwischen Bestialisierung und Humanisierung - 4. Juli 2015

Hirzel : Stuttgart
2013
317
Was ist der Mensch? Eine Antwort auf diese Frage versuchen Wissenschaftler auch dadurch zu finden, dass sie die Unterschiede zu seinen nächsten Verwandten ergründen. Seit der Entdeckung der Menschenaffen interessieren sich daher nicht nur Zoologen für diese Tiere, sondern ebenso Psychologen und Philosophen. Dieses Buch befasst sich mit der Entwicklung des Bildes, das sich die Europäer im Lauf der Jahrhunderte von den Menschenaffen gemacht haben. Dabei wird deutlich, dass sich unser Verhältnis zu den Tieren grundlegend geändert hat – aber dass sich durch die Forschung ebenso unser Selbstbild gewandelt hat.
Der Vortrag des Autors fasst das Buch “Der kultivierte Affe” bei der gleichnamigen Tagung im Tagungshaus Weingarten in 70 Minuten anschaulich zusammen. Freundlicherweise hat uns der Hirzel-Verlag die Einführung als pdf-Datei zur Verfügung gestellt. Sie stellt in knapper Form die Kapitel des Buches vor.
Der Philsoph Hans-Werner Ingensiep (Duisburg-Essen) durchschreitet und systematisiert die Geschichte von Aneignungs-, Abgrenzungs- und Begegnungsmustern gegenüber Primaten. Kurz nach ihrer Entdeckung als „Monster“ eingestuft, seien die Menschenaffen mittlerweile auf dem besten Weg, zu „Personen“ zu werden. Schon vor Darwin hätten bedeutende Philosophen des 18. Jahrhunderts gefragt, ob die „aufrecht gehenden Wilden“ tatsächlich Affen oder doch Menschen seien, ob man sie zu Bürgern erziehen und ihnen das Sprechen beibringen könne.
Als „Primaten“ seien sie seit Carl von Linné eng mit dem Menschen in Verbindung gebracht worden. Nach Erscheinen von Darwins Hauptwerk Mitte des 19. Jahrhunderts wird der Gorilla entdeckt. Zusammen mit Schimpansen und Orangs sei eine neue Epoche der Menschenaffen angebrochen, in der sie dem Menschen besonders als evolutionäre Abstammungshelfer gedient hätten. Die Vorstellung des Gorillas als aggressiven Monsters sei durch Reiseschilderungen von Afrika-Abenteurern verstärkt worden und habe sich unter anderem über das Medium Film („King Kong“) weit ins 20. Jahrhundert verbreitet.
Der bestialisierte Gorillamythos habe jedoch schon früh ambivalente Züge gezeigt und Spuren der „Humanisierung“ freigelegt. Importierte Jungtiere hätten in besonderer Weise zur öffentlichen Entmythologisierung des Gorillabildes beigetragen. Vor dem Hintergrund der Evolutionstheorie habe das 20. Jahrhundert – auch dank der Pionierarbeiten von Wolfgang Köhler – einen umfassenden experimentellen Zugang zu den Primaten gesucht und vordringlich die Frage nach Intelligenz und Kreativität der Affen gestellt.
Begegnung auf der „Subjektebene“
Das letzte Drittel des 20. Jahrhunderts habe dann mit neuen experimentellen Settings nach Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Affe und Mensch gesucht. Nicht distanzierte, objektivierende Beobachtung wie noch bei Köhler, sondern teilnehmende Beobachtung, die den Affen auf der „Subjektebene“ begegnet, habe einen neuen Zugang in Freilandforschung oder Wohngemeinschaft („Multi-Spezies-Familie“) erschließen wollen. Berühmt seien Schimpansen geworden, die der Taubstummensprache mächtig waren und denen man Moral und selbst Todesbewusstsein zu unterstellen geneigt war.
Durch diese Befunde seien Menschenaffen nach und nach zu „Personen“ geworden, was Ingensiep den Schluss ziehen ließ: „Der ‚gute Wilde‘ des 18. Jahrhunderts scheint auf seinem langen Marsch durch die Jahrhunderte nun doch ein gleichberechtigter ‚Bruder‘ des Menschen zu werden, was grundsätzliche ethische Fragen aufwirft.“ Zu denken sei hier unter anderem an den australischen Philosophen Peter Singer, der mit seinem „Great Ape Project“ Lebensrecht, Freiheit und Folterverbot für Menschenaffen fordere und diesen einen moralischen Personen-Status zuerkennen möchte.
Einführung des Buches als pdf-Datei
Pressestimmen zum Buch und Bestellmöglichkeit beim Hirzel-Verlag
Siehe auch
Für Regine Kather ist die Vielfalt der Arten eine Folge der genetischen Abstammung aller Lebewesen von den einfachsten Organismen. Das menschliche Bewusstsein sei somit nicht in einem unvermittelten Sprung aus toter Materie entstanden, sondern habe sich aus Vorformen entwickelt. Schon einfache Lebewesen hätten einen Anteil an den Möglichkeiten des Menschen.
Die Mensch-Tier-Beziehung wurde von Hans-Werner Ingensiep am Beispiel der Geschichte von Aneignungs-, Abgrenzungs- und Begegnungsmustern gegenüber Primaten konkretisiert. Kurz nach ihrer Entdeckung als „Monster“ eingestuft, seien die Menschenaffen mittlerweile auf dem besten Weg, zu „Personen“ zu werden.
Wie verhält sich die „Würde der Kreatur“ zur „Würde des Menschen“ als Person? Stehen beide Würdebegriffe nicht in Konkurrenz? Schließlich habe in unserer Kultur der Begriff der Menschenwürde stets die Sonderstellung des Menschen und seine Differenz zum Tier betont.
Heike Baranzke denkt über die Geschichte und derzeitige Praxis von Tierbestattungen nach. Bemerkenswert ist dabei die konfessionell unterschiedliche Reaktion von Theologie und Kirchen auf Tierbestattungen und die Frage "Kommen Tiere in den Himmel?". So liegen auch die Anfänge der deutschen Tierschutzbewegung im schwäbischen Pietismus.