“Gott ist Schöpfer” muss verneint werden!

von Heinz-Hermann Peitz

Heinz-Hermann Peitz
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Gott ist nicht gut und nicht gerecht – Zum Gottesbild der Gegenwart Book Cover Gott ist nicht gut und nicht gerecht – Zum Gottesbild der Gegenwart
Andreas Benk
Düsseldorf : Patmos
2008
214

Mutige Auseinandersetzung mit einer überholten Gottesvorstellung. Anstöße für eine glaubwürdige Rede von Gott. Lektüre für nachdenkliche Zeitgenossen.

Gott begegnet in kirchlichen und persönlichen Bekenntnissen, in lautstarker Ablehnung, inpolitischen Kampagnen. Dabei spüren immer mehr Zeitgenossen, dass die Rede von Gott in eine Krise geraten ist. Dass Gott Schöpfer, Person, Vater ist, dass er allmächtig, gütig und gerecht ist - das sind Auffassungen, denen zunehmend viele verständnislos gegenüberstehen. Das Buch erinnert an die biblischen Ursprünge und setzt sich mit der sogenannten negativen Theologie auseinander. Es plädiert für eine erneuerte Gottesrede, die den Anforderungen in der religiösen Erziehung, dem Verhältnis zu den Naturwissenschaften und dem Verständnis des Menschen gerecht wird.

Rezension

Der Physiker und Theologe Andreas Benk hat mit dem erfrischend provokativen Buch “Gott ist nicht gut und nicht gerecht” zum Nachdenken über das Gottesbild der Gegenwart angeregt. Verabschiedet er sich auch von Gott als Schöpfer, wenn er behauptet, dass “die Aussage, ‘Gott ist Schöpfer’ sofort wieder verneint, zurückgenommen werden muss”?

Das wäre ein Missverständnis! Und Benk ist gerade angetretten, Missverständnisse, die den Dialog zwischen Naturwissenschaften und Theologie belasten, auszuräumen: „Im interdisziplinären Gespräch zwischen Theologie und Naturwissenschaften zeigt sich immer wieder, dass auf naturwissenschaftlicher Seite dogmatische Aussagen ganz selbstverständlich in ihrem unmittelbaren Wortsinn als univoke Aussagen aufgefasst werden und diese als solche dort auf bares Unverständnis stoßen. Gott sei Vater? Schöpfer? Person?” (116) Für naturwissenschaftlich gebildete Menschen, die bereits in der Physik auf Grenzen der Objektivierbarkeit stoßen, vermutet Benk in diesen Zuschreibungen eine allzu anthropomorphe Zumutung. So erkläre sich beispielsweise für Einstein “die gegenwärtige Spannung zwischen Religion und Naturwissenschaft … hauptsächlich aus dieser Auffassung eines persönlichen Gottes” (Einstein nach Benk 107).

Dabei sollte für die Theologie eigentlich klar sein, dass Gott nicht in der Weise Person, Vater und Schöpfer ist, wie wir dies im zwischenmenschlichen Bereich kennen und benennen. Aber “dieses Missverständnis haben sich Theologie und kirchliche Verkündigung selbst zuzuschreiben, weil in theologischen Abhandlungen, in kirchlichen Verlautbarungen, im Religionsunterricht und im Gottesdienst kaum noch deutlich wird, dass jede Rede von Gott unter unvermeidlichem Vorbehalt steht” (116). Als deus semper maior übersteigt Gott jede Formel, die über ihn gemacht wird. Insofern bleibt Gott immer unbegreiflich, und jede Formulierung letztlich unangemessen. Dies ist freilich keine erkenntnistheoretische Schwäche der Theologie, sondern ein im “Gegenstand” Gott begründetes Grundaxiom jeder Rede über ihn. Benk erinnert an die letzte öffentliche Rede Karl Rahners: “Wir reden von Gott, von seiner Existenz, von seiner Persönlichkeit, von drei Personen in Gott, von seiner Freiheit, seinem uns verpflichtenden Willen und so fort … Aber bei diesem Reden vergessen wir dann meistens, dass eine solche Zusage immer nur dann einigermaßen legitim von Gott ausgesagt werden kann, wenn wir sie gleichzeitig auch immer wieder zurücknehmen, die unheimliche Schwebe zwischen Ja und Nein als den wahren und einzigen festen Punkt unseres Erkennens aushalten und so unsere Aussagen immer auch hineinfallen lassen in die schweigende Unbegreiflichkeit Gottes selber” (Rahner nach Benk 9f.).

Diese notwendige “Zurücknahme” sieht Benk nun mit “Negation” identifizierbar und in der Negativen Theologie realisiert. Damit sind wir beim Hauptanliegen Benks, die Glaubwürdigkeit der in die Krise geratenen Gottesrede mithilfe der Negativen Theologie zu erneuern. Ausführlich wendet Benk dieses Programm anthropologisch und schöpfungstheologisch an, was beispielsweise zur Aussage führt: „Darum muss auch die Aussage ‚Gott ist Schöpfer‘, sofort wieder verneint, zurückgenommen werden: Gott ist eben nicht das, was wir uns unter einem ‚Schöpfer‘ vorstellen, er ist dieser Vorstellung unähnlicher als ähnlich, muss man mit Bezug auf die bereits genannte Formulierung des IV. Laterankonzils sagen” (117).

Was Benk – und die Glaubwürdigkeit theologischer Sprache – damit im Blick auch auf aktuelle Konflikte mit den Naturwissenschaften gewinnt, liegt auf der Hand: der missverständlichen, da univoken, Verwechslung Gottes mit innerweltlichen Ursachen, wie sie z. B. Intelligent Design oder auch den sog. neuen Atheismus kennzeichnet, ist eine klare Absage erteilt; solche Konflikte sind als Scheinkonflikte entlarvt.

Doch birgt der Rückgriff auf die Negative Theologie nicht ihrerseits die Gefahr neuer Missverständnisse? Was bedeutet eine Negation, die auch als doppelte Negation keinesfalls den “Triumph der Affirmation über Negation” zulassen will? “Negative Theologie ist damit keine Methode, um indirekt, auf dem Weg der doppelten Verneinung, den unbegreiflichen Gott doch noch auf den Begriff zu bringen” (15). Verurteilt die negative Theologie dann nicht zum bloßen Schweigen?

Demgegenüber macht Rahner, auf den Benk sich vielfach beruft, unmissverständlich klar, “dass es eine Möglichkeit und einen Sinn hat, sich mit dem Geheimnis selbst explizit einzulassen und man gerade nicht mit Wittgenstein sagen muss, man solle von dem einfach schweigen, worüber man nicht klar reden könne” (Rahner, Schriften IX, Einsiedeln 1970, 114). Und bevor Rahner von “Zurücknahme” redet, spricht er von der Notwendigkeit der Aussagen über Gott. Genau das aber wurde von Benk im Rahnerbezug ausgelassen. Vollständig lautet das Zitat: “Wir reden von Gott, von seiner Existenz, von seiner Persönlichkeit, von drei Personen in Gott, von seiner Freiheit, seinem uns verpflichtenden Willen und so fort; wir müssen dies selbstverständlich, wir können nicht bloß von Gott schweigen” (Rahner, Von der Unbegreiflichkeit Gottes, Freiburg 2004, 27). In diesem Sinne lehnt Rahner eine negative Theologie geradezu ab! Theologische Sätze kann man eben “nicht ersetzen durch anbetendes Schweigen, durch eine ,theologia negativa‘” (Rahner, Schriften IX, 124). Für Rahner müssen theologische Sätze in doppelter Weise “ertragen” werden: “sowohl in ihrer Notwendigkeit wie in ihrer Unangemessenheit” (ebd.).
Angesichts der zahlreichen Missverständnisse aufgrund univoker und anthropomorpher Interpretation theologischer Sätze kann man mit Benk anregen, dass “in einer Zeit, in der der Theologie ,Überaffirmation‘ droht” (Benk 15), mehr an die Unangemessenheit und Rücknahme denn an die Notwendigkeit theologischer Sätze zu erinnern ist. Insofern die negative Theologie dies leistet, und damit theologische Rede glaubwürdiger und interdisziplinär anschlussfähiger macht, ist dem Buch eine Rezeption zu wünschen, die ihrerseits nicht in komplementäre Missverständnisse abgleitet. Denn wenn theologische Sprache entweder mit Beliebigkeit assoziiert oder zum Schweigen verurteilt würde, spielte man dem szientistisch-positivistisch verorteten Atheismus in die Hände. Das will Benk freilich nicht, und Dawkins sollte sich also nicht zu früh freuen, wenn Benks mutiger Titel Schule macht und demnächst ein Buch mit dem Titel erscheint: “Gott ist nicht Schöpfer”.Dagegen gilt: “Das Vierte Laterankonzil sagt ausdrücklich, man könne über Gott von der Welt aus … nichts an Inhaltlichkeit positiver Art sagen, ohne dabei eine radikale Unangemessenheit dieser positiven Aussage mit der gemeinten Wirklichkeit selbst anzumerken” (ebd.). Wohlgemerkt bestreitet Rahner nicht die Möglichkeit positiv affirmativer Aussagen; er betont nur das unverzichtbare Miteinander von affirmativer Aussage und deren Rücknahme.Selbstverständliche Akzeptanz findet eine negative Theologie (“im rechtgläubigen Sinn”; Vorgrimler), sofern sie im Zusammenhang der Lehre von der Analogie behandelt wird: “Negative Theologie in diesem Sinne ist wesensnotwendiges Element der Theologie aller Zeiten” (Vorgrimler, LThK2, Bd. 7, 865). Erspart man sich also nicht die Missverständnisse einer negativen Theologie, wenn man statt dessen die analoge Redeweise erneut stark macht? Aber auch hier lauert ein Missverständnis, und Rahner will der “schulmäßig naiven Meinung … wehren, ein analoger Begriff sei eine hybride Kreuzung zwischen einem normalen univoken und einem äquivoken Begriff” (Rahner, Unbegreiflichkeit, 26). Dann nämlich kommen die Aspekte der Zurücknahme und radikalen Unangemessenheit, auf die Benk das Augenmerk richtet, wieder zu kurz.

Zum Autor

Andreas Benk sudierte Kath. Theologie, Philosophie und Physik. Seit 2001 ist Benk Professor für Theologie und Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch-Gmünd. Habilitation über “Moderne Physik und Theologie. Voraussetzungen für den gegenwärtigen Dialog”.