Sehnsucht nach Gerechtigkeit
Der Alttestamentler Georg Steins (Osnabrück) wählte als Ansatzpunkt für seinen Durchblick durch die alttestamentliche Schöpfungstheologie einen Quereinstieg: die Vision vom Untergang und dem Ende der Stadt Jerusalem in Jeremia 4. Die Vernichtung Judas und Jerusalems „bedeutet nicht nur Zerstörung und Tod, sondern das Ende der Welt als eines ‚Lebenshauses für alles Lebendige’ (Erich Zenger). ‚Erde und Himmel’ werden in den Chaoszustand zurückversetzt. Das ist das Gegenteil von Schöpfung.“ Untergang und Gericht als innere Konsequenz des falschen, ungerechten Handelns offenbarten „Gottes leidenschaftliches Engagement für die Gerechtigkeit“, so Steins, wobei sich Gesellschaft und Natur nicht trennen lassen: „Alles ist betroffen, wenn Bosheit sich breit macht.“ Biblische Schöpfungstheologie hängt Steins zufolge eng mit der Erfahrung von Krise und Bedrohung zusammen. Weil es für die Bibel eine unauflösbare Verbindung von vertikaler Gottesbeziehung und horizontaler Menschenbeziehung gebe, sei auch ihr Schöpfungsdenken „nicht in erster Linie Ausdruck der Naturbeobachtung“. Natur und Menschenwelt würden immer zu einer einzigen Lebenswelt im Angesicht der Todesmächte verschränkt, am Tun des Guten „hängen Himmel und Erde“. Die zentrale Metapher für Gott sei sein Königtum mit universaler Zuständigkeit, dem der Mensch als „Mandatar oder Vizekönig“ entspricht, der an Gottes Königsherrschaft teilhat. Das Paradies sei als königlicher Palastgarten bzw. Tempel zu verstehen mit dem Thron Gottes als „Nabel der Welt“ im Zentrum. Schöpfung, so der Alttestamentler, sei daher ein politisch-moralischer Diskurs, ein „Schrei nach Gerechtigkeit“ im umfassendsten Sinn angesichts verbreiteter Ungerechtigkeit. Es gehe um geschütztes, geordnetes Leben, um die Durchsetzung des Königtums (oder Reiches) Gottes und damit zugleich um Rettung und Erlösung als Neuschöpfung eines Himmels und einer Erde, in denen die „Gerechtigkeit wohnt“ (2 Petr 3,13). „Es gibt in der Bibel viel mehr Zusammenhalt und Zusammenklang, als die Bibelwissenschaft der letzten zwei Jahrhunderte, die so stark auf Zergliederung ausgerichtet war, zugeben mochte!“ Offen blieb, wie sich Gerechtigkeit und Heiligkeit, Königtum und Priestertum zueinander verhalten, die im antiken Denken ja ebenfalls untrennbar zusammengehören, und welche Rolle dem Tod in der Schöpfung zufällt.
Der Vortrag ist Teil der Tagung “Im Diesseits gefangen?“, 23.-24. Juni 2012, Tagungszentrum Hohenheim.
Die Beiträge der Tagung
Schöpfung, so Georg Steins, sei ein politisch-moralischer Diskurs, ein „Schrei nach Gerechtigkeit“ im umfassendsten Sinn angesichts verbreiteter Ungerechtigkeit. Es gehe um Erlösung als Neuschöpfung des Himmels und der Erde.
Dirk Evers deutet an, dass der entgötterte Himmel zwar zu unseren Lebensfragen schweige, er schaffe aber „zugleich Raum für ein Weltverständnis, das das Diesseits von innen heraus als gottoffen verstehen kann“.
Der Mensch wird nach Jörg Splett nicht zum Opfer und Nahrungsgeber für die Götter erschaffen (wie in Mesopotamien), sondern um seiner selbst willen; eine aus Nichts ins Sein gerufene Freiheit zur Liebe.
Nur wenn das menschliche Leben durch seine Selbstüberschreitung in seinen transzendenten Grund zu charakterisieren ist, könne – so Kather – Unsterblichkeit im Sinn eines ewigen, der Zeit enthobenen Lebens gedacht werden.